Pränatale Programmierung

Wie wirkt sich das Essverhalten der Mutter in der Schwangerschaft auf das ungeborene Kind aus und auf welche Ernährungsmuster sollte man bei Säuglingen und Kleinkindern besonders achten.

Wir wollen mit unserer österreichweiten Kampagne die Gefahren eines möglichen Abhängigkeitsverhaltens, das durch den übermäßigen Konsum von Zucker und Fett auftreten kann, aufzeigen. Der hohe Fett- und Zuckeranteil ist leider auch in vielen für Kinder angepriesenen Produkten versteckt. Unser Bestreben ist es, damit einen Beitrag zur Gesundheitsförderung schon vor und in der Schwangerschaft zu leisten.

Diabetes Typ 2 wurde früher Diabetes mellitus oder Altersdiabetes genannt, da diese Stoffwechselerkrankung in der Regel bei älteren Menschen zum ersten Mal auftrat. In den letzten Jahren gibt es einen rasanten Anstieg dieser Form von Diabetes, der immer häufiger bei übergewichtigen jüngeren Personen und sogar bei Kindern diagnostiziert wird.

Kinder haben heutzutage oftmals schon mehr Fett und Zucker konsumiert als früher Menschen im 60. Lebensjahr. Versteckt sind die Krankmacher mittlerweile fast in allen Lebensmitteln. Wir wollen mit unserer Kampagne einen Beitrag leisten, um den rasanten Anstieg von Stoffwechselerkrankungen und deren Folgeerscheinungen (Diabetes, Adipositas, Bluthochdruck usw.) durch übermäßigen Zucker- und Fettkonsum schon in der Geburtsvorbereitung und im Babyalter vorbeugen. Wir wollen am Ursprung des Übels beginnen und damit einer möglichen pränatalen Programmierung (mögliches Abhängigkeitsverhalten) vorbeugen.

Wir haben zwei namhafte Experten zu den Zusammenhängen befragt.

Die Klinische- und Gesundheitspsychologin Frau Dr. Laura Stoiber erläutert das Thema aus psychologischer Sicht:

„Jede mögliche Art von Konsum, sei es Alkohol-, Zigaretten- oder Nahrungskonsum kann sich bereits im Mutterleib auf das ungeborene Kind auswirken. Eine falsche Ernährung kann entweder restriktiv (=gezügelt) oder auch exzessiv (=übermäßig) sein und beide Ernährungsweisen haben negative Auswirkungen auf das Kind.

Bei einer restriktiven und einseitigen Ernährung kann es schon vor der Geburt, aber auch im weiteren Verlauf durch das Stillen mit der Muttermilch zu einem Mangel von Nährstoffen kommen. Dies kann in extremen Fällen auch die Entwicklung des Kindes beeinträchtigen (Fälle dazu sind zum Beispiel bei veganer Ernährung bekannt). Auch exzessives Essverhalten zeigt Auswirkungen auf das Kind. Einerseits können sich die Auswirkungen im Gewicht des Kindes widerspiegeln und andererseits können so schon sehr früh verschiedene Substanz Abhängigkeiten entstehen, wie zum Beispiel ein gesteigertes Bedürfnis nach Fett und/oder Zucker.

Kindern, die aufgrund des Essverhaltens der Mutter, mit einer solchen Disposition geboren wurden, fällt es später auch schwerer, sich ausgeglichen und gesund zu ernähren, da sie schon im Mutterleib früh durch die negativen Ernährungsweisen der Mutter geprägt wurden. Es ist bekannt, dass erlernte Verhaltensmuster aus der Kindheit sehr tief in unserem Gehirn verankert sind und nur schwer veränderbar sind. Aus diesem Grund ist es wichtig, vor allem während der Schwangerschaft, aber auch während der Stillzeit, auf eine ausgewogene, gesunde und regelmäßige Ernährung zu achten, um die Gesundheit des eigenen Kindes begünstigen zu können.“

Frau Mag. Caroline Sonnenberg, Bsc., beleuchtet das Thema aus der Sicht einer Diätologin.

„Eine gesunde ausgewogene Ernährung stellt eine der Grundsäulen für ein gesundes Leben dar. Dies ist nicht nur von Bedeutung, wenn ein Kind das Licht der Welt erblickt, sondern nimmt schon während der Schwangerschaft einen großen Stellenwert ein. Denn eine gesunde Ernährungsweise der Mutter hat einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes – nicht nur im Mutterleib, sondern auch nach der Geburt des Kindes.

Eine qualitativ hochwertige und ausgewogene Ernährung während der Schwangerschaft ist von Nöten – um sowohl eine Unter- als auch eine Überernährung zu vermeiden. Ein drastisches Szenario des Einflusses der Ernährung auf das spätere Verhalten des Ungeborenen zeigte eine US-Studie, die vor einigen Jahren an Ratten durchgeführt wurde. Im Fokus dieser Studie wurde untersucht, inwieweit die mütterliche Ernährung mit einer sehr fett- und zuckerreichen Kost das spätere Verhalten des Ungeborenen beeinflusst.

Die Ergebnisse zeigten, dass deren Nachwuchs einerseits ein erhöhtes Risiko an Übergewicht hatte und andererseits höhere Tendenzen für ein Suchtverhalten aufwiesen. Anzumerken bleibt, dass diese Studie an Ratten durchgeführt wurde. Hiervon kann abgeleitet werden, dass möglicherweise auch beim Menschen, ein übermäßiger Verzehr von Fett und Zucker während der Schwangerschaft, ausgewählte Schaltkreise im Gehirn des Ungeborenen, die das Belohnungssystem betreffen, verändern können. Nähere handfeste Bezüge bei Menschen sind jedoch noch offen zu erforschen.

Ein Bereich, der bereits erforscht und untersucht wurde, ist die pränatale Programmierung. Dies zeigt auf, welchen Einfluss das mütterliche Verhalten auf das Ungeborene hat und dass durch eine unausgewogene Ernährung mögliche Folgeerkrankungen aufgrund der Disposition zu Adipositas und Diabetes mellitus gegeben sind. Ein weiterer, wesentlicher Aspekt, der für eine ausgewogene und vielseitige Ernährung spricht, ist, dass es bereits im Mutterleib zu Prägungen kommen kann, die spätere Geschmackspräferenzen des Kindes beeinflussen. Daher sollte die Kost vor, während und nach einer Schwangerschaft abwechslungsreich und vollwertig sein, um dieses Spektrum möglichst breit zu halten.

Ernährt sich eine Schwangere beispielsweise nur von Junk Food, zuckerreichen süßen Getränken, Schokolade oder anderen Süßigkeiten, dann besteht ein erhöhtes Risiko, dass das Kind später ebenfalls zu den süßen und fetten Lebensmitteln tendiert und zum Beispiel Gemüse in der Mahlzeit eher verweigert. Studien zeigten auch, dass in kritischen pränatalen Entwicklungsphasen bestimmte Stoffwechselprozesse einen Einfluss auf die Gesundheit und das spätere Leben des Ungeborenen haben. Somit kann die Ernährung in der Schwangerschaft bis hin zum Erwachsenenalter einen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit haben.

Fazit ist daher, dass eine gesunde ausgewogene Ernährung von hoher Bedeutung ist und bereits vor einer geplanten Schwangerschaft umgesetzt werden sollte. Zumindest zu Beginn der Schwangerschaft wäre es empfehlenswert, Mütter über die Bedeutung der richtigen Kostform und deren Einfluss für das Kind, aufzuklären.“

„Zucker macht süchtig“, sagt auch der Mediziner Kurt Mosetter, Autor des Buches „Zucker – Der heimliche Killer“. Ab wann ist ein Mensch zuckersüchtig? „Wenn das Naschen überhandnimmt und jemand mehr als dreimal täglich Süßigkeiten oder süße Getränke zu sich nimmt“, sagt der Arzt und Heilpraktiker. Zehn europäische Forschungseinrichtungen unter der Leitung des Bremer Leibnitz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie, kamen im Rahmen einer Langzeitstudie zu dem Ergebnis, dass ein hoher Fett- und Zuckerkonsum im Kindesalter das Risiko für regelmäßigen Alkoholkonsum im Jugendalter erhöhen kann. Möglicherweise wird durch eine zucker- und fettreiche Ernährung im Kindesalter ein grundsätzliches Verlangen nach Abhängigkeit erzeugenden Stoffen gelernt.

Anmerkung: Das Suchtverhalten wird teilweise vom “Belohnungssystem” im menschlichen Körper gesteuert. Das Gehirn speichert Belohnungen sofort ab und merkt sich den Geschmack und den angenehmen Zustand nach dem Konsum. Kinder brauchen nur Süßigkeiten zu sehen und schon entsteht in ihnen ein brennendes Verlangen nach der süßen Versuchung. Für uns Eltern ist dann Widerstand oft zwecklos, da das Verbotene dadurch für unsere Kids umso verführerischer wird. Zucker und fettreiche Nahrung wirkt sich auf das Verhalten und Wohlbefinden unserer Kinder aus.

Wir möchten zwei Beispiele anführen: Der Verzehr von herkömmlichem Haushaltszucker und handelsüblicher Schokolade bewirkt zwar einen raschen Energieanstieg, verursacht jedoch Hyperaktivität vor allem bei Kleinkindern – dieses Phänomen kennen so gut wie alle Eltern vor dem Schlafengehen bei Ihrem Nachwuchs. Der Konsum von Speisen mit weißem Weizenmehl und hohem Fettanteil bewirkt nach dem Verzehr einen starken Leistungsabfall sowie Trägheit und macht die Bewältigung der Hausaufgaben damit beschwerlicher.

Zucker, Fett und unzählige Geschmacksverstärker aus dem Labor haben jedoch die Geschmäcker schon sehr beeinflusst und deswegen neigen gerade Kinder gerne zu vorschnellen Urteilen. Wenn der Geschmack von den bekannten Süßspeisen abweicht, kommt oft eine Abwehrhaltung zum Vorschein und man hört als Elternteil folgendes Statement: „Der gesunde Kuchen schmeckt mir nicht!“

Wir haben gemeinsam mit einem großen Bäckerei- und Konditorei Meisterbrieb im Rahmen eines anderen Projekts einen Versuch gestartet, Süßspeisen zu entwickeln, die sich hinsichtlich Aussehen und Geschmack nicht von den herkömmlichen Mehlspeisen unterscheiden und dabei auch den Geschmack der Kinder treffen. Sowohl Erwachsene als auch Kinder bemerkten bei Verkostungen keinen Unterschied zu den herkömmlich hergestellten fett- und zuckerreichen Süßspeisen. Dieser Umstand stieß auch auf großes Medieninteresse und führte dazu, dass diese speziell entwickelten Süßspeisen, im Rahmen des Sucht- und Jugend- Präventionsprojektes „OVER THE LIMIT“, vom Wolfsberger Bürgermeister Hans Peter Schlagholz und Jugend- und Gesundheitsreferenten Stadtrat Alexander Radl, präsentiert wurden. 

Deshalb haben wir bewusst Süßspeisen als unsere “Botschafter” gewählt, da sie die größte Versuchung für Kinder und Erwachsene darstellen und sehr oft wahre Fett- und Zuckerbomben sind. Wir wollen damit aufzeigen, dass solche Süßspeisen auf einfache Art und Weise auch zu Hause herzustellen sind und dass die Ingredienzien einfach und erschwinglich in fast jedem Supermarkt erhältlich sind. Wir wollen damit ein Umdenken bewirken, dass man sogar im Bereich der Süßspeisen Herstellung genug Alternativen hat, dem übermäßigen Zucker- und Fettkonsum den Kampf ansagen!

Es muss transportiert werden, dass Süßspeisen wie Milchschnitten oder Fruchtzwerge zucker- und fettreiche Nahrungsmittel sind, die nicht als Jause verwendet werden sollen, sondern nur ab und zu als Nascherei. Noch besser ist es, derartige Süßspeisen wie Gummibärchen, Fruchtjoghurt oder Schokokuchen selbst herzustellen und die Auswahl und Menge der jeweiligen Zutaten selber zu bestimmen.

Wir empfehlen auch beim Einkauf der Zutaten einerseits darauf zu achten, saisonale und regionale Produkte zu kaufen, diese schmecken besser und hinterlassen nur einen kleinen ökologischen Fußabdruck. Andererseits empfehlen wir nachhaltige und umweltschonende Bio-Produkte zu verwenden.

 
 

Dr. Laura Stoiber

Klinische- und Gesundheitspsychologin, Arbeits- und Wirtschaftspsychologin, Sportpsychologin, Systemischer Coach
www.stoiber-psychologie.at | office@stoiber-psychologie.at
Tel.: +43 650 301 04 28

 


Mag. Caroline Sonnenberg, Bsc

Praxis Ernährung |www.praxis-ernaehrung.at |info@praxis-ernaehrung.at
Tel.: +43 677 615 34 766

Quellen:
Plagemann Andreas: Pränatale Programmierung, neuro-endokrine Epigenomik und präventive Medizin –

Das Konzept Vegetative Prägung IN: Nova Acta Leopoldina NF 120, Nr. 405, 197-225 (2014)

Dr. Kauth Thomas, u.A.: Interdisziplinäres Netzwerk zur frühen kindlichen Prägung (metablische Programmierung) IN: Ernährungs Umschau 9/09 S.540f.

 

Pränatale epigenetische Prägung: Stand des Wissens; Deutsches Ärzteblatt 2016; 113(45):A-2010 /B-1706 /c-1690

 

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